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Dose 12 - Anti-Muff und American Football

Veröffentlicht am 07.12.2019

Kennt ihr diese Anti-Feuchtigkeits-Tütchen? Die mit Kieselgel gefüllten Säckchen findet man oft in Schuhkartons oder anderen Produktverpackungen und gelegentlich auch in Geocaches – falls der Owner mitgedacht hat …

Wenn es nach mir ginge, sollten die Muff-und-Nässe-Killer nämlich zur Dosen-Grundausstattung gehören. Ein Logbuch, dessen Seiten sich kräuseln, ist einfach unansehnlich. Davon abgesehen, ist es für einen TB wie mich echt eine Zumutung, wenn langsam die Feuchtigkeit ins Fell kriecht und sich Schimmelgestank in der Dose breitmacht. Denn ordentlich lüften, wie man das im Schlafzimmer mindestens einmal täglich tun sollte, findet besonders in selten frequentierten Dosen bekanntlich wochenlang nicht statt. (Einmal fühlte ich mich innerlich so klamm, dass ich ernsthaft überlegte, ob ein operativer Eingriff sinnvoll wäre. Zwei, drei Säckchen in meiner Füllung, und ich hätte Ruhe. Aber das nur am Rande.)

Die Dose in Philadelphia, in der ich schon seit Wochen die Zeit totschlagen muss, ist natürlich unbeheizt, besitzt keine Anti-Klamm-Einrichtung und beherbergt neben einem verwaschenen Logbuch bloß einen Bleistift und einige hirnlose Ü-Ei-Figuren, die zu keiner geistreichen Unterhaltung fähig sind. Und der Aufkleber der Philadelphia Eagles, den Bert mit mir zusammen in die Dose gelegt hat, quillt immer weiter auf. Im spärlichen Tageslicht, das durch eine undichte Stelle am Deckel fällt, kann ich erkennen, wie sich der Adlerkopf immer weiter ablöst, und der einst stolze Blick des Vogels trübe wird. Um diesem trostlosen Anblick zu entfliehen, und weil ich ja sonst nichts zu tun habe, träume ich mich zurück in den Umschlag von Berts Mütze. Ihr erinnert euch? Bert ist dieser leicht verrückte Geocacher, mit dem ich von Boston nach Philadelphia geflogen bin. Nachdem er DIE TREPPE bezwungen hatte, nahm er mich mit ins Stadion. Aus meiner Mützen-VIP-Lounge hatte ich einen hervorragenden Blick auf das, was sich American Football nennt.

Was soll ich sagen: Es war laut. Es war bunt. Es war turbulent. Ein ganzes Stadion voller farbig gekleideter Leute verfolgte gebannt, wie unten auf dem Rasen muskelbepackte Typen mit gepanzerten Schultern und Helmen aufeinander krachten. Die Spieler kämpften um ein Leder-Ei, das getragen, gekickt oder geworfen und gefangen wurde. Niemand erklärte mir die Regeln, aber es ging wohl darum, das Ei irgendwie ans Spielfeld-Ende zu bekommen. Egal: Ich ließ mich von der Begeisterung des Augenblicks mitreißen und wurde Teil des Spektakels. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich vermutlich sogar mitgebrüllt. Ob Spieler oder Fan: Jeder schrie, grölte, jubelte oder stöhnte, was das Zeug hielt. Es war wie eine Welle, die einen mitriss. Das Ei flog, die Fans sprangen auf, reckten die Arme und hüpften, als hätten sie irgendeinen Anteil daran, was auf dem Spielfeld geschah. Am Ende war ich nahezu taub, überwältigt von all den Eindrücken und voller Fragen: Gibt es überhaupt Regeln bei diesem Spiel? Wer steckt unter dem Adlerkostüm des Philadelphia-Eagles-Maskottchens? Macht es Sinn, dass sich die am Spielfeldrand herumhüpfenden Mädchen bei gerade mal fünf Grad in bauchfreie Outfits gezwängt haben, um sich dann durch Beine-Hochwerfen und das Schwenken silberner Püschel aufzuwärmen?

Am Ende war ich froh, als sich der Deckel einer Dose über mich schloss und wieder Ruhe herrschte. Mein Kopf summte noch eine ganze Weile vor sich hin. Ich hatte viel Zeit, den Eindrücken nachzuspüren. Doch seitdem müssen Wochen vergangen sein. Das Träumen hilft nicht mehr, die Langeweile zu vertreiben. Zeit für den nächsten Geocacher, der mich mitnimmt. Schließlich warten in der Welt unendlich viele Mysterien darauf, von mir entdeckt zu werden. Ich kann sie nicht alle lösen, aber ich bin bereit, mich ihnen zu stellen!

 

Euer Rodriguez

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